„Nimm den Löffel in die richtige Hand“ diesen Satz hat der eine oder andere in seiner Kindheit sicher öfter zu hören bekommen. Doch welches ist nun die richtige Hand? Zu dieser Thematik, die in manchen Familien aus Unkenntnis gar keine Beachtung findet, hat sich Meetingpoint einmal etwas schlauer gemacht.
„In unserer Gesellschaft gilt Rechtshändigkeit als „normal“, und so wird oft unbewusst versucht, Linkshänder bereits im Kindesalter umzuschulen und ihnen damit zum „Normalzustand“ zu verhelfen. Wenig bekannt ist jedoch, dass diese Umschulung einen der größten Eingriffe ins menschliche Gehirn darstellt. Denn durch die Umschulung der Händigkeit bleibt die überkreuz mit der Handlungshand verbundene dominante Hemisphäre (bei Linkshändern also die rechte Gehirnhälfte) dominant, ist nun aber aktionsbehindert beziehungsweise gehemmt. Die andere Hemisphäre muss mehr Aufgaben übernehmen, und ist dadurch überlastet; im Bereich des Corpus callosum (quer verlaufende Faserverbindung zwischen den beiden Großhirnhemisphären) kommt es zu Störungen, zu einer Art Kurzschluss und zu Übertragungsblockierungen.
Die Folgen sind frappierend: Die geistigen Fähigkeiten, darunter so wichtige Bereiche wie Gedächtnis, Konzentrationsfähigkeit, Belastbarkeit, Reaktionsfähigkeit, werden negativ beeinflusst, obwohl die ursprüngliche Intelligenz erhalten bleibt.
Linkshänder haben normalerweise eine gute räumliche Vorstellungskraft und ein gutes perspektivisches Wahrnehmungsvermögen. Im Gegensatz zu Rechtshändern denken sie mehr synthetisch und beziehungsreich, während bei Rechtshändern das analytische, zeitlich aufeinanderfolgende Denken betont ist.“
Quelle: Dr. Johanna Barbara Sattler
(Dr. Sattler, selbst Linkshänderin, befasst sich seit über 30 Jahren mit dem Phänomen der Händigkeit in Gesellschaft, Kunst und Kultur und ihrer medizinischen und psychologischen Bedeutung und gilt als führende Expertin auf diesem Gebiet. 1985 entstand die „Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder“ in München, die sie seit Beginn leitet. Diese Beratungsstelle ist auch Zentrum eines Netzwerks von Fachleuten, Beratungsstellen und Selbsthilfeinitiativen im pädagogischen, therapeutischen und medizinischen Bereich.)
Linkshänder oder Rechtshänder
Händigkeitsberaterin Berit Dalichow befasst sich mit dieser Thematik schon seit Jahren und hält dazu auch Vorträge, zum Beispiel in Kitas. Dort berichtet sie über den Stand der Forschung und darüber, wie es Eltern möglich ist, die Händigkeit ihres Kindes zu erkennen.
Linkshänder werden auch heute noch manchmal als eine unbedeutende Minderheit in der Gesellschaft angesehen. Auch die über viele Jahrzehnte praktizierte Umschulung von der linken auf die rechte Hand, hauptsächlich beim Schreiben, hat diese statistische Verzerrung verursacht.
Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass die Zahl der Linkshänder zwischen 25 und 50 % der Bevölkerung liegt (schwer einzugrenzen, da eine Vielzahl Betroffener umerzogen wurde).
Umschulung kann schwerwiegende Folgen haben
„Eine Umschulung der Schreibhand führt oft zu den verschiedensten Störungen, zunächst die Primärfolgen, welche dann im späteren Leben Sekundärfolgen nach sich ziehen. Da heutzutage die Umschulung der Händigkeit meistens schon sehr früh (Kleinkind oder Kita-Zeit) und oft sogar von dem Kind selbst als Anpassung an die rechtshändige Umwelt geschieht und bei Schuleintritt das Kind dann rechtshändig erscheint, können mögliche Folgeerscheinungen nicht erkannt werden und es kommt später zu einer falschen Ursachenbestimmung der Sekundärfolgen“ beschreibt Berit Dalichow die schwierige Problematik.
Die Händigkeit wird bereits während der Schwangerschaft im Gehirn des Kindes angelegt.
Um herauszufinden, welche Hand ein Kind bevorzugt, bleibt nur die Beobachtung des Kindes. Ein Indiz ist zum Beispiel, mit welcher Hand das Kleinkind am häufigsten nach seinem Spielzeug oder nach dem Essen greift, erklärt die Beraterin. Auch beim Malen stellt sich schnell heraus, welche Hand bevorzugt wird.
Etwa mit Vollendung des 2. Lebensjahres ist die Händigkeit weitgehend manifestiert.
Die richtige Hand zu erkennen ist wichtig, um die möglichen Folgen einer gewollten oder ungewollten Umerziehung auszuschließen. Denn wie im Zitat von Johanna Barbara Sattler bereits beschrieben, wird bei umerzogenen Linkshändern nicht nur das Gehirn übermäßig belastet, diese Umerziehung kann auch zu psychischen Störungen führen.
Primärfolgen der Umschulung der Händigkeit können sein:
- Gedächtnisstörungen (besonders beim Abrufen von Lerninhalten)
- Konzentrationsschwierigkeiten (schnelle Ermüdbarkeit)
- legasthenische Probleme (Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten)
- Raum-Lage-Labilität (Links-Rechts-Unsicherheit)
- feinmotorische Störungen (die sich z.B. im Schriftbild äußern)
- Sprachstörungen (Stammeln bis zum Stottern)
Diese Primärfolgen können dann zu unterschiedliche Sekundärfolgen führen:
- Minderwertigkeitskomplexe
- Unsicherheit
- Zurückgezogenheit
- Überkompensation durch erhöhten Leistungseinsatz
- Trotzhaltungen, Widerspruchsgeist, Imponier- und Provokationsgehabe
- unterschiedlich ausgeprägte Verhaltensstörungen
- Bettnässen und Nägelkauen
- emotionale Probleme bis ins Erwachsenenalter mit neurotischen und/oder psychosomatischen Symptomen
- Störungen im Persönlichkeitsbild“
In ihren Vorträgen zeigt Berit Dalichow auch diverse Hilfsmittel, beispielsweise eine Schreibunterlage, für Linkshänder.
Leider werden die Bedürfnisse von Linkshändern noch sehr selten bei der Herstellung von Gegenständen des täglichen Bedarfs und Spielzeug (Beim Spielzeug wie Kran oder Bagger ist oft das Rad zum Drehen nur auf der rechten Seite angebracht ist.) berücksichtigt. Auch das Fahrrad muss hier erwähnt werden. So befindet sich der Fahrradständer, immer auf der linken Seite des Rades. Die Linkshänder steigen auf der rechten Seite des Fahrrades ab und müssen immer erst auf die linke Seite des Rads wechseln und das ist oft sehr umständlich. Dann noch die Handbremse am Fahrrad, welche sich auf der rechten Seite befindet, eben für uns Rechtshänder. Wie wichtig diese Thematik ist, zeigt das starke Interesse d und die angeregte Diskussion am Ende eines jeden Vortrags.
Wer Fragen zu dieser Thematik hat, kann sich gern an Händigkeitsberaterin Berit Dalichow wenden (Siehe Kontaktdaten).
Kontakt:
Händigkeitsberaterin Berit Dalichow
Sozialarbeiterin BA
Zertifizierte Linkshänder-Beraterin nach Sattler-Methode
Telefon: 0151 / 56 65 79 60
Mail: linkshaender.dalichow@gmx.de
Für weitere Informationen ist auch die Seite https://lefthander-consulting.org/ zu empfehlen, die von der Ersten deutschen Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder e.V. betrieben wird.
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